Berlinale Wettbewerb 2020: Todos os mortos | All die Toten
ein hFMA Netzreporter-Beitrag von Lennart Biehl, Tina Waldeck und Felix Hück
Kurz nach der Abschaffung der Sklaverei in Brasilien

Zwischen 1899 und 1900 wird das Schicksal zweier Frauen aus unterschiedlichen Familien erneut miteinander verbunden.
Da ist einmal die Familie Soarese, ehemalige Besitzer einer Kaffeeplantage und nun kurz vor dem Ruin: die älter werdenden und langsam sterbenden Mutter Isabel (Thaia Perez), die älteste Tochter Maria (Alaíde Costa), die ins Kloster gegangen ist, um dort zu unterrichten, und die jüngste Tochter Ana (Carolina Bianchi), die immer mehr mit ihrem Geisteszustand und damit auch den Geistern der Vergangenheit zu kämpfen hat.
Und da ist die ehemalige afrikanische Sklavenfamilie Nacimento. Während die Großmutter als Haushälterin bei der Familie Soarese gearbeitet hat, sind Iná Nacimento (Mawusi Tulani) und ihr Sohn Joao (Agyei Augusto) nun frei und in eine andere Stadt gezogen. Sie möchten mit der Vergangenheit abschließen. Doch da sucht Maria sie auf und bittet sie, aufgrund von Anas Gesundheit, noch ein letztes Mal zurückzukommen.

© Hélène Louvart/Dezenove Som e Imagens
In dem Film werden mit liebevollen Details sehr subtile Allegorien spürbar. Und das nicht nur, wenn Ana sich zu einem einfachen Straßenarbeiter hingezogen fühlt, weil er ja „so schön weiß ist“: Der Horror bekommt teilweise humorvolle Züge, ohne dabei seine Tragik zu verlieren. Der Film zeigt deutlich, wie schwer es ist, sich mental von den einmal dominierenden Strukturen eines Systems zu lösen und davon unabhängig eine eigene Freiheit für sich zu erreichen.
Der Film lief auf der Berlinale 2020 im Wettbewerb. Direkt nachdem wir den Film dort auf der Weltpremiere am 23.02. im Berlinale Palast gesehen haben, haben wir uns noch zu einem nächtlichen Filmgespräch zusammen gesetzt:
Todos os mortos | All the Dead Ones | All die Toten
Dabei ist zu erwähnen, dass sich die beiden Regisseure Marco Dutra und Caetano Gotardo an den Theaterstücken von Tschechow und Brecht orientiert haben, wie sie vor der Weltpremiere, auf der Pressekonferenz erzählten. Die fein abgestimmte Musik spielte ebenfalls eine bedeutende Rolle. Ein Film, der für ein anspruchsvolles Publikum mit dem Hang zum subtilen Horror absolut zu empfehlen ist.
Original-Teaster zu Todos os mortos | All the Dead Ones | All die Toten: