Beitrag von Tina Waldeck
„Glossary of Broken Dreams“ im Programm der B3 Biennale
Ein Film von Johannes Grenzfurthner (2018)
Der Regisseur, alias der „Lumpennerd“, ist eine schillernde Persönlichkeit und er weiß, das seine Arbeiten sich erst durch und mit ihm zu ihrer vollen Wirkung entfalten. Er ist unter anderem künstlerischer Leiter der Gruppe monochrom: einem Kunst-Technologie-Philosophie-Kollektiv, das sich speziell der politischen Linken zuordnet. Sie vertreten das Konzept des Context Hacking, das Grenzfurthner auch selbst mit geprägt hat: das Aneignen von medialen und politischen Themen, die sie dann verändern und neu codieren. Ein Versuch, sich in seinem Verhalten innerhalb von sozialen Strukturen zu emanzipieren.
Warum arbeitet man eigentlich für Geld?
Wenn man die meiste Zeit doch damit verbringen muss, immer mehr zu arbeiten, nur um noch mehr Geld zu bekommen, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Da geht sie hin, die verschwendete Zeit, in „bullshit jobs“, in denen man nur dafür arbeitet, das andere Leute ebenfalls länger und mehr arbeiten können. Dein Chef: Oh, das ist dein Freund. Und für diesen Freund tust du doch alles. Nein? „The bounding of respect“. Der Film flimmert nur so vor Wort-Fragmenten, Ideen und Meinungen. Immer wieder flechtet Grenzfurthner neue Begriffe ein, um sie im Eiltempo zu analysieren und ironisch zu deformieren. Es gibt ja auch keine „Fake News“, alle Nachrichten werden von den Menschen gemacht und sind damit auch ein Teil der Realität. Wen muss man hier bekämpfen, um seine Freiheit zu bewahren? Gibt es diese denn überhaupt – auch Privatsphäre ist doch nur ein Produkt der Zeit? Eine Lehrstunde über ökonomische Zusammenhänge. Zumindest so, wie das Kollektiv (monochrom hat den Film ja auch mit produziert) es gerne der Welt vermitteln würde.

Ein visueller Kurzschluss
Der Film lebt von der Vielfalt seiner unterschiedlichen Stilrichtungen. Seien dies die teils absurden Realfilm-Szenen, zwei Handpuppen in einem Caféhaus oder die Trickfilm-Passagen, in klassischem schwarz-weiß oder ganz im Stil eines Animes gehalten. „Atmospheric cancer“ taucht als Bezeichnung in dem Film auf: Dieser wäre wahrscheinlich eher als „atmospheric mess“ zu definieren. Dazwischen immer wieder Gesangseinlagen des österreichischen Künstlerduos Duscher & Gratzer, die Songs aus unterschiedlichen Jahren wiedergeben: Natürlich passend zu den jeweiligen Themen redigiert.

Der Film hatte für die gewaltige Fülle an Material tatsächlich nur ein halbes Jahr Drehzeit. Während er am Ende ironisch endet und seine Existenz selbst hinterfragt, indem sich Grenzfurthner von seiner Mutter Geld leihen muss, um den Film überhaupt beenden zu können, hatte er tatsächlich insgesamt ein Budget von 15.000 Dollar zur Verfügung. Davon kamen 5.000 Euro allein von der Stadt Wien, deren Bearbeiterin als Dank in dem Film einen Gastauftritt bekam: als Knauserin, die Grenzfurthner kein Geld geben will. Kleine und große Verdrehungen, an denen der Künstler Spaß hatte. Alle Fragmente wurden wie ein Puzzle gedreht und zusammengesetzt. Zum Schluss kommt jedoch das traurige Ende, als der zerbrochener Traum der Linken: Er versucht noch zu fliehen, wird aber dann doch von dem Monster des Systems gefressen.
FAZIT
Bleibt die Frage offen, ob dies wirklich ein Film für das Kino ist, denn er lebt von seiner künstlerischen Aktivität. Das merkt man auch hinterher in dem Gespräch deutlich: Sehr amüsiert erzählt der Regisseur, wie er den Film aus Versehen bei einem Festival eingereicht habe, das sich als Rechts gesinnt offenbarte. Sein Film wurde hier geleakt und in Online-Plattformen zum Download angeboten. Doch anstatt Johannes Grenzfurthner damit nun Schaden zuzufügen, bekam er dadurch von einer viel größeren Zielgruppe als geplant Aufmerksamkeit und aus der ganzen Welt E-Mails: Zuletzt aus Venezuela, wo ein Professor ihn fragte, ob er den Film, trotz des illegalen Downloads, seinen Studenten zeigen dürfe. Dinge in Bewegungen setzen und seine Standpunkte künstlerisch zu vermitteln, um so kritische Gespräche in Gang zu setzen, das kann der Künstler mit seiner Arbeit ausgezeichnet. Und in dem Versuch seine Realität immer wieder als eine eigene, neue Realität zu konstruieren, passten der Film und der „Lumpennerd“ inhaltlich wunderbar in das Thema der B3 Biennale 2019.
