Frankfurt, Mainzer Landstraße. Club Adlib. Achter Stock. Hinter den Wolkenkratzern geht die Sonne unter. Gut sechshundert geladene Gäste treffen sich zu Sekt und Häppchen. Der exklusive Kreis der ADC Mitglieder. Kreative, Agenturchefs, Fotografen und Paradiesvögel. Mittendrin ein Mann mittleren Alters im blauen Anzug, der nur Augen für sein iPhone hat. Mit konzentriertem Gesichtsausdruck hält er es in die Luft. Drückt immer zu den Auslöser. Macht Fotos von Himmel. Von der Skyline. Von den Menschen. Verhalten, heimlich, aber interessiert beobachten ihn die Partygäste. Denn der Mann ist bekannt und Fotos sind sein Metier. Der Mann mit dem iPhone ist kein geringerer als Hubertus Hamm.
Er ist ein bemerkenswert vielseitiger Fotograf. Einer der Großen. Spielend springt Hamm zwischen zwischen Werbe- und Kunstfotografie. Für die VOUGE und das ZEIT-Magazin hat er fotografiert.
„360° Panorama“ heißt die App, mit der er spielt. Sie errechnet aus den Schnappschüssen ein Rundumbild. Bewegt er das Handy, bewegt sich das Bild mit. Eine technische Spielerei, deren Faszination für Hamm im Umgang mit dem Raum liegt. Der Raum, eines seiner zentralen Themen.
Hamm ist einer dem Möglichkeiten, wie auch die Grenzen seines Mediums bekannt sind. Die schönsten Räume, sagt er, kann man nicht aufnehmen. Zum Scheitern verurteilt der Versuch, ein gutes Toskana-Bild zu machen. Fotografie ist begrenzt. Die stärksten Bilder sind für ihn, die Mentalen, die im eigenen Kopf.
Inzwischen ist das Servicepersonal dazu übergegangen die Hauptgänge zu servieren. Kellner in blütenweißen Hemden tragen Schiefertabletts mit duftendem Risotto zwischen den Gästen umher. Dazu wird Pinot Grigio gereicht. Außerdem haben zwei Köche hinter einem großen Grill Stellung aufgenommen. Unter dem Rand ihrer hohen weißen Mützen steht der Schweiß. Sie braten Fillet-Burger. Die hungrigen Kreativen stehen brav in Reih und Glied.
Etwas abseits treffe ich auf Thomas Hofbeck. Der Creative Direktor trägt Caro-Hemd, Jeans und Turnschuhe. Seid 15 Jahren ist er bei Ogilvy. Etwas Wehmut schwingt in seiner Stimme, als er uns von seinen Anfängen erzählt. Ein Uniprojekt hatte ihn nach Frankfurt verschlagen. Aus Versehen war er eine Woche zu früh angereist. Nach anfänglichen Zögern und Zweifeln, nutze er die Zeit. Auf gut Glück, klopfte er bei den Frankfurter Agenturen an. Bilanz am Ende der Woche: Drei Jobangebote. Kein schlechter Start.
Es sei ein Zufall gewesen, sagt er lachend, oder vielleicht kam er so gut an, weil er sich getraut hatte. Genau das will er allen jungen Kreativen raten. Sie sollen sich mehr trauen. Sie sollen etwas wagen. Sie sollen den Mut finden anzuecken. Nur nicht immer allzu brav sein!
Die Sonne ist nun hinter den Wolkenkratzern verschwunden. Zum Nachtisch gibt es Apfeltiramisu, oder American-Brownies mit kandiertem Rhabarber. Außerdem Marcons, das neue Trendgebäck, klärt mich einer der Kellner auf. Kleine, luftige Kekse in Pastellfarben auf Schaschlickspießen.
In einer Gruppe entdecken ich das Werberurgestein Michael Schirner.
„Sie haben doch vor Jahren dieses Buch geschrieben?!“ frage ich. Er lacht. „Ach Gott, das ist doch schon hundert Jahre her.“ Zugegeben, fünfundzwanzig Jahre ist es her. Doch Schirners Buch „Werbung ist Kunst“ hat das Selbstverständnis der Werbung und auch das der Werber nachhaltig verändert. Es hat die Grenzen zwischen Werbung und Kunst verwischt.
Sind Werber Künstler?
„Der Unterschied zwischen Kunst und Werbung,“ werfe ich ein, „ist ja, dass der Künstler nicht primär verkaufen will, die Werbung schon.“
Schirner beugt sich zu mir. Er lächelt. „Wissen sie, das ist eine Illusion,“ sagt er. „Wir meinen immer nur, dass die Werbung verkauft. In Wirklichkeit verkaufen wir gar nichts.“ Und er lächelt immer noch, lächelt weise, wie einer der es wissen muss, wie einer der es erlebt hat.
Ein Bericht von Netzreporterin Alicia Rost. Das Foto machte Netzreporterin Tatjana Matvejeva.
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